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IN NEUEM LICHT

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Der Kirchenbau der protestantischen Gemeinde Mailand (CCPM) nach einer umfassenden Restaurierung und nach Umbauarbeiten in einer reich bebilderten Dokumentation, die gerade erschienen ist.
© CCPM

Die Kanzel – wie bei der Gründung der Kirche 1864 – in zentraler Position, nachdem sie ein paar Jahrzehnte lang seitwärts positioniert war. Hinter dem Altar ist der Grundstein sichtbar.

 MailandVor mehr als 170 Jahren gründeten Schweizer Reformierte und deutsche Lutheraner in Mailand eine protestantische Gemeinde unter der offiziellen Bezeichnung „Evangelische Versammlung“. Wenig später konnte sie sich als „Chiesa Cristiana Protestante in Milano“ (CCPM) ein Statut geben. 1864 wurde der Bau eines eigenen Kirchengebäudes im neugotisch-lombardischen Stil an der damaligen Via Carlo Porta (heute Via Marco de Marchi) eingeweiht. Nach vielen kleinen Maßnahmen zur Pflege des Gebäudes und der Anlage waren in den 2010er-Jahren größere Renovierungs- und Umbauarbeiten nötig, die 2017 abgeschlossen werden konnten. Eine kleine  zweisprachige Veröffentlichung der CCPM unter dem Titel „In neuem Licht / In nuova luce“, die gerade erschienen ist, dokumentiert und wertet diese Arbeiten. Die geben der Gemeinde auch die Möglichkeit, ihre Aktivitäten nicht nur geistlich, sondern ebenso kulturell und gesellschaftlich auszuweiten.

In einem zentralen Aufsatz beschreibt der Architekt und Wissenschaftler Marco Borsotti (Politecnico Milano) die Baugeschichte, die zuletzt von zwei grundlegenden Umstrukturierungen geprägt wurde. Zunächst in den 1960er-Jahren durch den Architekten Fritz Fricker als ein Stockwerk über der Sakristei entstand, das als Wohnung für den Küster genutzt wurde – heute sind hier Büroräume untergebracht. Im Innenraum ließ man u. a. neue Fenster mit künstlerisch gestalteten vielfarbigen Glasmosaiken einbauen.
© Mario Broggi

Planungsskizze des Architekten Mario Broggi

Der zweite wesentliche Eingriff wurde dann kürzlich zwischen 2014 und 2017 von den Architekten Mario Broggi und Michael Burckhardt in enger Abstimmung mit der Gemeinde in Angriff genommen. Die Architekten haben, schreibt Borsotti, „mit Einfühlungsvermögen die innere Struktur des Versammlungsraumes neu entwickelt“ und ihm „eine authentische Deutung“ zugewiesen. Dabei erhielt u. a. die Kanzel an der Stirnwand, die unter Fricker an die Seiten verschoben worden war, ihre zentrale Stellung zurück. So wie sie ursprünglich beim Bau 1864 – der Grundstein wurde jetzt sichtbar gemacht – positioniert gewesen war. Betont wird auf diese Weise der „Dialog“ zwischen Kanzel und Altar in der Zentralachse zur hochwertigen Orgel auf der Empore gegenüber. Broggi und Burckhardt verbesserten zudem Akustik und Lichtführung. Nebenräume wurden modernisiert und für Serviceeinrichtungen den aktuellen Bedürfnissen der Gemeinde angepasst. Dazu kam die Restaurierung der Bausubstanz (Fassaden etc).

Offen für mehr  kulturelle Nutzung
In weiteren Beiträgen der Veröffentlichung geht es u. a. um die Schaffung eines „Garten des Glaubens“ unter der Leitung des Landschaftsarchitekten (und gegenwärtigen Präsidenten des Kirchenrates) Andreas Kipar mithilfe der Mailänder Initiative „Orticoltura urbana“. Diskutiert werden von Caroline von Gayling die Möglichkeiten, die gesamte Anlage hin zur Gesellschaft zu öffnen und ausgiebiger als in der Vergangenheit für kulturelle Aktivitäten zu nutzen. Eine kleine Meditation über den Kirchenraum schließt die lutherische Pastorin Cornelia Möller mit den Worten: „Die Kirche verändert im Laufe der Zeit ihr Gesicht. Nicht nur das. Auch wer sie betritt, darf sich verändern lassen und anders weitergehen, als er, als sie gekommen ist.“
© CCPM

Inspirierend: Fassade und Garten in einem Aquarell

 
Das Gebäude hat eine wechselvolle Geschichte erlebt, zu der zwei Weltkriege gehören, Verstrickungen der Gemeinde in ideologische Prägungen sowie Zerwürfnisse zwischen Reformierten und Lutheranern, die heute aber überwunden sind. Zur Geschichte gehört auch der ökumenische Aufbruch einer durch Internationalität geprägten Gemeinde. Auf den weist Norbert Denecke, der Geschäftsführer Deutsches Nationalkomitee des Lutherischen Weltbundes, in seinem Beitrag hin. Von 1995 bis 2004 prägte er als lutherischer Pastor das Gemeindeleben der Mailänder Kirche und betrieb mit viel Geschick die ökumenische Öffnung der CCPM.
 
Die Veröffentlichung ist mit Fotografien (darunter auch historisches Bildmaterial aus dem Archiv der CCPM) und Skizzen reichhaltig illustriert. Im Vorwort vermutet Andreas Kipar, dass nicht wenige „uns um die neue Anlage“ beneiden würden. „Sie mit Leben zu erhalten, dem Geist Raum zu geben und den Raum mit Geist zu füllen, das hängt aber von uns als Gemeinde ab, von der Gemeinschaft wie von jedem Einzelnen.“

Chiesa Cristiana Protestante in Milano (Hrsg): In neuem Licht. In nuova luce. Mit Beiträgen u.a. von Marco Borsotti, Norbert Denecke, Caroline von Gayling, Andreas Kipar Cornelia Möller. Redaktion: Mario Broggi, Andreas Kipar, Henning Klüver. Zweisprachig italienisch/deutsch. CCPM, Milano (2022). 64 Seiten, 10 Euro© CCPM


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